|Der 6. Dandy
Als wir dich der Schrottpresse übergeben mussten, war es der
Abschied von einem guten alten Freund, der uns viele Jahre
begleitet hat.
Wir haben dich einfach geliebt, denn viel haben wir gemeinsam
erlebt, du hast immer zu uns gehalten, du warst zuverlässig,
du warst treu, man konnte dich überall hin mitnehmen, du
hast uns nie blamiert und du hattest einen riesengroßen Vorteil ;
du konntest nicht sprechen, ein großer Geheimnisträger,
niemals hast du auch nur ein Sterbenswörtchen preisgegeben.
Die Abschiedsparty für dich war lange Zeit Gesprächsstoff in unserer
Stadt, 4-mal kamen die von uns so geliebten uniformierten
Freunde und Helfer, um in Form von Verwarnungen, Ermahnungen
an deinem Abschied teilzunehmen. An diesem Abend haben
wir noch einmal unsere gemeinsamen Zeiten Revue passieren lassen.
Alles begann mit deinem unzuverlässigen Vorläufer, ein unmöglicher
Kumpan, er frug nicht demütig nach etwas zu trinken, sondern
er blieb wie ein störrischer Esel stehen, bewegte sich und somit
uns keinen Meter mehr, verlangte nach seinem speziellen
Getränk und das zwei km vor einer entsprechend spezialisierten
Tränke.
Was tun in so einer Situation ?
Einer wurde ausgelost der das unverschämte Gefährt zu bewachen hatte, und
der Rest der Mannschaft begab sich auf den langen und beschwerlichen Weg.
Als wir nach der ersten Biegung das farbenfrohe Schild in blau und weiß
sahen, wussten wir, wir sind auf dem rechten Wege.
Um nicht gegen die Geschwindigkeitsbegrenzungen
zu verstoßen, gingen wir gemächlichen Schrittes weiter bis sich deine
schon von weitem erkennbare Silhouette in verführerischem Rot mit
weißen Füßen langsam zeigte.
Nun erkannte man auch die gelben Gardinen und somit vereintes
du Sex, Mütterlichkeit und natürlich einen nicht zu unterschätzenden
Rock’n Roll Flair. Es war Liebe auf den ersten Blick.
Die Straßenverkehrsordnung betrachteten wir nur noch als unverbindliche
Empfehlung, unsere Schritte wurden beängstigend schnell und dann
standen wir vor dir, befummelten dich, sprachen mit dir und vergaßen
weswegen wir eigentlich diesen Ort aufgesucht hatten.
Daran erinnert wurden wir durch das Dröhnen von schnell stampfenden
Schritten, vergleichbar mit denen einer 30-köpfigen Elefantenherde,
denn unser zurückgelassener Kumpel befürchtete, dass wir mit seiner
noch ausstehenden Gage vom letzten Gig die Überfahrt nach Amerika
bezahlt hätten, uns schon mitten auf dem Ozean befänden und ihn
schmählich zurückgelassen hätten.
Also suchten wir Deckung hinter unserem neuen Freund, je
näher unser alter Kumpel kam, um so mehr entspannten sich seine
Gesichtszüge, man konnte fast meinen er lächelt und es entfuhr
ihm nur ein langes „Booh“. Da wir alle noch nicht glaubten, dass
damit der Friedensschluss besiegelt ist, rief einer noch sehr achtlos,
um den Friedensschluss zu erleichtern, das ist nun der Neue.
Noch nie hatte es eine solch schnelle körperliche und seelische
Verwandlung unseres lieben Freundes gegeben, die Schnappatmung
wurde umgehend beendet, die bedrohlich angestiegene Gesichtsfarbe
verwandelte sich wieder in ein mitteleuropäisches Blass, vornehmer
englischer Art natürlich, und alle hatten sich wieder lieb.
Erstaunlicher Weise fand sich einer bereit das Geständnis abzulegen,
dass wir hinsichtlich der Interpretation „das ist nun unser“ noch eine
kleine Verhandlungsrunde ansetzen müssten, insbesondere wollte
der Vorbesitzer unserer neuen Liebe auch noch Geld für dich haben.
Geld, das war der Rohstoff, der an Knappheit bei uns nun wahrlich
nicht zu überbieten war.
Geld war mehr oder weniger eine Rarität, wir waren auch der Meinung,
dass es garnicht angemessen war dich mit Geld in Verbindung
zu bringen, welch eine Beleidigung.
Unsere Überredungskünste reichten allerdings nicht aus deinen Besitzer
davon zu überzeugen, dich zu verschenken.
Wir versprachen ihm einen Platz im Himmel, natürlich erste Kategorie.
Wir versprachen ihm so eigentlich alles was es nicht gibt. Er
blieb hart und so machten wir uns dann auf „I’m walking“ zu unserem
Kameradenschweinchen, um ihn mit Lebenssaft zu versorgen.
Wir trotteten sehr traurig zurück, drehten uns 480-mal um, um
dich immer wieder anzuschauen, es ging so vor sich, dass
2 Mann sich umdrehten und dir zuwinkten, während die anderen
3 wüsteste Beschimpfungen gegen deinen Besitzer losließen,
die Ungerechtigkeit der Welt beklagten, insbesondere die Ungerechtigkeit
gegen verarmte Musiker.
Als wir endlich in unserem ungeliebten alten Gefährt saßen, schüttelten
wir uns angewidert von seinem Benehmen, jedes einlegen eines neuen
Ganges kommentierten wir abfällig, das Chassis zwischen uns wahr
natürlich zerschnitten.
Aber nun begann ja eigentlich das Drama.
Wir wollten dich, und wenn jemand verliebt ist, dann kann er nicht nur
Monde vom Himmel holen, Berge versetzen und was ansonsten noch
die deutsche Literatur an Beschreibungen für den Zustand hergibt,
sondern es schleicht sich so langsam eine gewisse Besessenheit ein.
Mehrmals die Woche fand nun eine Wallfahrt zu deinem Standort
statt. Die Wallfahrt begann immer sehr sehr angstvoll, bist du noch
da ? Wir haben so alle uns bekannten und zur Verfügung stehenden
Institutionen, die hinter den Wolken beheimatet sind um Hilfe gebeten
und riesengroß war jedesmal die Erleichterung, wenn du in deinem
feuerroten Gewande noch am gleichen Ort standest.
Dein Besitzer war nach einiger Zeit der Meinung, dass wir unter
einer Nebenform einer Geisteskrankheit leiden, mehrfach jagte
er uns immer wieder einen Schreck ein, wenn er den Preis für dich
nannte, aber so langsam machte die Liebe zu dir uns auch körperliche
Schäden.
Einige in der Band neigten zu Depressionen, die sich in der Form
gestalteten, dass sie wieder regelmäßiger Arbeit nachgehen wollten.
Andere wiederum nahmen nur noch flüssige Nahrung auf,
wieder andere hatten die tollkühne Idee eine Bank zu fragen, ob sie uns
Geld gibt für dich.
Wären wir tatsächlich zu einer Bank gegangen, diese hätte unsere
Kreditanfrage sicherlich als Überfall gewertet.
Besprechungen im Familienkreis waren auch nicht möglich.
Damalige Besprechungen drehten sich nur darum wann man
gedachte einen Friseurladen aufzusuchen und wieder in die
Zivilisation einzutreten gedachte.
Einzig und alleine Omas kamen in Betracht und so begann die Jagd auf Omas,
jeder hatte eine – also wurde die Losung ausgegeben, „Oma Help“
Und es kam wie es kommen musste – Omas sind einfach gute Menschen.
Was der Einzelne seiner Oma erzählte, warum wir so ein großes schönes Auto haben
mussten, werden wir nicht preisgeben, auch wenn es verjährt ist,
auf jeden Fall so viel sei gesagt es waren schon abenteuerlichste Geschichten dabei,
weshalb wir dich brauchten.
Zwischendurch hatten wir dann auch einige ganz gute Jobs und
das allerwichtigste war, dass dein Besitzer uns auch nicht mehr
sehen konnte.
Er bekam Pickel, wenn wir kamen, er behandelte uns
recht barsch, aber Liebe kann man nicht verbieten und hinter
dieser rauhen Schale verbarg sich doch ein recht guter Mensch.
Er kam aus Ostpreußen und eines Tages, nachdem er wieder
Pickel bekommen hat, sagte er nur – „na Jungchens, wieviel
Penunsen habt er denn zusammen.“
Wir nannten den Betrag, er lächelte schelmisch und er
meinte nun ja, „nun wollt er se doch haben,
dann bringt mir jeden Monat de Pennunsen und irgendwann
gehört’ se euch alleene.“
Am Abend haben wir das alles mit einem „Quartierchen“, das war
sein Ausdruck für ein Schnäpschen, besiegelt. Er war
Ehrengast bei jedem unserer Konzerte.
Nun warst du also unser, was wir auch sehr schnell und deutlich
öffentlich machten, wir bemalten sich künstlerisch wertvoll
mit dem Schriftzug „The Dandy’s“, du warst nun der 6. Dandy
und auf ging es durch Deutschland, Frankreich, Belgien, Holland,
Dänemark, überall dort wo wir unsere Beatbotschaft in den
60iger Jahren herüber brachten warst du dabei, du warst einfach ok.
Auch bei unserem größten Coup warst du mit von der Partie
– Beatweltmeister 1967 – 240 Std. Beatmarathon.
Bis 1970 hielt die Dandy Ehe , danach trennten
sich unserer aller Wege. Am 5. Mai 2007, 40 Jahre danach
feierten wir ein großes Comeback. Heute gibt es die Dandy’s
wieder, auf deine Dienste müssen wir leider verzichten. Wir sind
sicher, dass du im Autohimmel bis und gern nochmal dabei sein
würdest.
The Dandy’s